Geteilte Welten Kapitel 10 – Telefon
Telefon
Schließlich war es so weit – dieser wunderschöne Tag ging zu Ende. Unendlich langsam, als ob er so die Zeit anhalten könnte, stand Tim auf und begann, sich anzuziehen. Marko schaute immer trauriger drein, je weiter Tim in seinen Vorbereitungen für den Abschied fort schritt. Und auch in Tim stieg ein Gefühl auf, das er am Liebsten verdrängt hätte. Noch einmal sah er sich auf der Lichtung um, ob er auch ja nichts vergessen hätte, dann verabschiedete er sich von seinen Freunden. Er nahm jeden von ihnen in den Arm – außer Willy. Für ihn hatte er nur ein Winken und ein „Tschüss!“ übrig. Sollte er doch ruhig merken, dass Tim noch immer sauer auf ihn war! Und doch sollte ausgerechnet Willy noch eine wichtige Rolle in ihrer Beziehung spielen….Zum Schluss war Marko dran. In inniger Umarmung standen sie sich gegenüber – Tim angezogen und startbereit, Marko dagegen immer noch nur in seinem Slip, der gerade so mit Mühe seine Pracht verdecken konnte… Noch ein letzter, sehnsüchtiger Kuss, und dann noch einer, und noch einer… Tim wollte sich nicht von seinem Liebsten trennen, aber es musste sein. Jetzt! Und das wusste er. Schließlich löste er sich dann doch aus Markos Umklammerung und ging langsam den Weg zurück in den Ort. Das Gefühl, das in ihm aufstieg, war eine –eher ungesunde – Mischung aus inniger Liebe zu Marko und Trauer, weil er sich von ihm trennen musste. Es tat weh und es fiel ihm verflixt schwer.
Als Tim zuhause ankam, war der Tisch schon gedeckt und seine Eltern warteten bereits auf ihn. Schnell lief er nach oben, zog seine Schuhe aus und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen. Dann lief er hinunter, direkt ins Esszimmer. „Hallo Mom, hallo Paps – sorry, es ist ein paar Minuten später geworden“. Tims Vater schaute auf die Uhr. „Genau 15 Minuten, mein Sohn! Du kennst doch unsere Essenszeiten, oder?“ meinte er tadelnd. Doch Tims Mutter lächelte ihn an. „Nun nimm Dir und fang an“, sagte sie nur. „Guten Appetit!“ Tim entschied sich für Schwarzbrot mit Räucherlachs. Aber so richtig hungrig war er eigentlich nicht; er sehnte sich nach Marko, und wollte schnell wieder in sein Zimmer, um mit seinem Herzblatt Kontakt aufzunehmen. Noch auf dem Weg nach oben, hörte er, wie das Telefon schellte. Margret, das Hausmädchen nahm ab. „Bei von Hochbergen“, meldete sie sich. Eine kurze Pause folgte. Dann: „Moment bitte, ich verbinde!“ Kurz darauf klingelte es erneut – und dieses Klingeln kam eindeutig aus seinem Zimmer! Wie der Blitz raste Tim die letzten Treppenstufen hinauf und stürzte den Raum. Schon nach dem zweiten Schellen drückte er auf die Rufannahme-Taste. „Hallo?“ Ein warmer, wohliger Schauer durchfuhr ihn – es war Marko! Hey Schatz, ich habe es nicht mehr länger ausgehalten, ohne Deine Stimme zu hören…“ hauchte er durchs Telefon. „Was machst Du gerade?“ Tim ließ sich rücklings auf sein Bett fallen und schloss die Augen. „Ich liege auf meinem Bett und träume davon, dass Du bei mir bist“ antwortete er. Das Telefon mit der linken Hand am Ohr haltend, versuchte er gleichzeitig, mit der Rechten sein Hemd zu öffnen. Mit ein wenig Mühe gelang es ihm, und er strich sich mit der flachen Hand über seine Brust und den Bauch. ‚Ach, wie schön wäre es doch, wenn es Markos Hand wäre!’ dachte er. „Biste immer noch sauer auf Willy?“ fragte Marko. „Na, so ein bissel schon. Und wenn er uns doch zugesehen hat? Vielleicht hat er sich ja dabei einen runtergeholt? Vielleicht hat er es ja auch schon irgendwem erzählt?“ „Quatsch“, meinte Marko. „Das macht Willy nicht. Und wenn er sagt, er ist gegangen, glaub ichs ihm“. „Aber Du weißt doch, wie schnell hier im Ort…“ setzte Tim an. „Sich was rumspricht?“ beendete Marko seine Frage. „Klar weiß ich das. Aber Willy hält dicht, da bin ich sicher“. Und damit war das Thema auch schon durch, und sie hauchten sich wilde Liebesschwüre durch den Äther. Tim hatte inzwischen den Knopf und den Reißverschluss seiner Hose geöffnet. Markos sanfte Stimme am Telefon machte ihn heiß. Er setzte sich auf und streifte sich mit einer Hand das Hemd ab. Dann legte er sich auf den Rücken, hob den Hintern an und schob seine Hose an den Beinen herunter bis zu den Knöcheln und zog sie aus. Nun hatte er nur noch den Slip und die Sneaker- Söckchen an. In seinem Slip zeichnete sich schon wieder eine deutliche Beule ab. „“Ich würde jetzt so gerne bei Dir sein“, flüsterte Tim in den Hörer. „Darf ich Dich mal was fragen?“ „Alles, was Du willst, mein Schatz“, antwortete Marko prompt. „Äähm – hast Du schon mal… mit `nem Jungen… ich meine, so richtig…?“ tastete Tim sich vorsichtig heran. „Nee, nicht wirklich“, kam es von Marko zurück. „Da war zwar mal kurz was mit einem Jungen aus meiner Schule, aber das war auch schnell wieder vorbei und vor Allem längst nicht so wie mit Dir. Du bist mein erster richtiger Freund, und ich liebe Dich über Alles. Wenn es passieren soll, dann nur mit Dir!“ Tims Erregung war fast nicht mehr auszuhalten. Am Liebsten würde er jetzt sofort zu Marko fahren und die Nacht mit ihm verbringen. Aber auch Marko lag am anderen Ende der Leitung auf dem Bett in seinem Zimmer, nur noch im Pyjama-Höschen, und wünschte nichts sehnlicher, als jetzt bei seinem Timi – Schatz zu sein. „Treffen wir uns morgen nach der Schule?“ „Jaaaa, na klar! Wann hast Du Schluß?“ „Um eins – meinen Eltern erzähle ich schon was, warum ich am Mittagstisch nicht dabei bin“, meinte Tim. „Gut“, antwortete Marko, „dann treffen wir uns um halb zwei auf der Lichtung? Ist das ok? Bei uns gibt’s eh kein Mittag, meine Alten sind noch beide arbeiten. Papa hat Frühschicht bis um zwei, und meine Mam wollte nach der Arbeit noch in die Stadt“. „Also um halb zwei am See“ wiederholte Tim. „Ich kann es kaum erwarten!“ „Ich auch nicht – gute Nacht mein Schatz, schlaf schön! Ich liebe Dich!“ Noch bevor Tim antworten konnte, knackte es in der Leitung; Marko hatte aufgelegt.
Tim schaltete seinen Laptop an; irgendwo mussten doch noch die Bilder von der Fete im letzten Frühjahr sein… hoffentlich ist Marko mit drauf! Aha, gefunden! Neugierig schaute er sich nacheinander die Fotos an – wo ist Marko? Dann, plötzlich: ein Bild von Marko und ihm, mitten in der Gruppe ihrer Freunde! Mal sehen, ob man das nicht noch etwas bearbeiten kann… Schnell hatte er das Bildbearbeitungs-Programm geöffnet und das Foto eingefügt. So, mal schauen – erstmal zuschneiden. Ok, nun waren nur noch Marko und er auf dem Foto sichtbar. Nun noch die roten Augen entfernen – mein Gott, wir sehen ja aus wie Albinos! Fertig! Noch einmal betrachtete er das Bild – ja, es gefiel ihm! Tim bereute es, dass er das Foto nicht im Rahmen auf sein Nachtschränkchen stellen konnte; aber das wäre bestimmt zu auffällig… Margret kommt hier aufräumen und sauber machen, und auch vor seiner Mutter ist sein Zimmer nicht sicher. Er schickte das Bild herüber zum Drucker, legte ein Blatt Spezial- Fotopapier ein und startete den Druckauftrag. Es dauerte einen Moment, bis die Daten an den Drucker übertragen waren, doch dann begann er leise zu rattern. Immer mehr des Bildes wurde auf dem Papier sichtbar; schließlich beendete der Drucker seine Arbeit und spuckte das Blatt aus. Mit funkelnden Augen sah Tim sich das Bild an: Perfekt! Er begann wieder zu träumen; ach, wenn Marko doch jetzt bloß bei ihm sein könnte! Wieder und wieder sah er sich das Foto an, bevor er einen zarten Kuss darauf hauchte, es in die oberste Schublade seines Nachtschränkchens legte, seinen Wecker stellte und das Licht löschte. Leise hörte er sich sagen: ‚Gute Nacht, mein Süßer, bis morgen! Ich liebe Dich!’